Langer Abend. Kein Schlaf. Alkohol. Schnee. Morgens den Sonnenaufgang auf dem Balkon beobachten. Zufrieden. Die Stadt erwacht und ich lasse den Rausch ausklingen. Mein Körper sagt mir, dass es reicht für diese Nacht. Ich trinke noch etwas non-alkoholisches, genieße die Sonne und bereite mich mental auf den Heimweg vor. Ich muss noch Fahrrad fahren, aber es ist warm und ich werde langsam fahren. Heute ist ein Feiertag. Ein paar wenige Leute sind auf dem Weg zur Arbeit, die meisten liegen aber noch in ihren Betten und schlafen. Der Heimweg wird ein Abenteuer aber ich habe mein wichtigstes Utensil für Momente wie diesen bei mir: Meine Sonnenbrille.
Die Sonnenbrille verbirgt meine Augenringe und den verrückten bzw verwirrten Blick, welcher sich unweigerlich früher oder später einstellt. Außerdem erzeugt die Sonnenbrille eine gewisse mentale und emotionale Distanz zwischen mir und meiner Umgebung. Ich muss mir wenig Gedanken um mein Aussehen machen, da die Brille mich vor allem schützt. Die Brille ist mein Freund.
Ich komme unbeschadet aber verschwitzt zuhause an und schleppe mich auf die Couch. Ich würde gerne schlafen, bin aber noch zu aufgeputscht dafür. Ich habe zwar etwas Graß geraucht, das hilft aber nur bedingt beim runterkommen. Ich trinke Wasser um dem Afterglow und Kater vorzubeugen. Das Ausmaß dieser Nacht wird sich erst nach einigen Stunden Schlaf zeigen. Daran ist aber zumindest für die nächste Zeit noch nicht zu denken. Um mich zu beschäftigen, schreibe ich also wieder ein wenig. Vielleicht haben sich die großen Autoren ähnlich Gefühlt, als sie an ihren Werken arbeiteten. Hunter S. Thompson soll täglich Unmengen an Alkohol, Kokain und gelegentlich Graß konsumiert haben um dann nachts/morgens den richtigen Pegel erreicht zu haben, auf dem er anfing, zu schreiben. Ich würde jetzt gerne mit einem alten Revolver auf Bäume schießen. Ich bin zu ausgelaugt um längere Gedankengänge zu führen. Ich bin nur noch körperlich wach und überlege, mehr Graß zu rauchen, in der Hoffnung, endlich müde zu werden. Ich glaube nicht, dass das funktionieren würde. Also heißt es ausharren.
Draußen ist es schön. Die Sonne scheint und Blumen blühen. Ich habe die Sonne heute beim aufstehen beobachtet. Es war sehr schön. Man sieht zu selten Sonnenaufgänge. Ich fühle mich im Geiste verbunden mit Raoul Duke. Auch wenn er nur eine Kunstfigur war, war er nicht frei erfunden. Er hatte wohl schon deutlich schlimmere Exzesse zelebriert als ich heute Nacht.
Die anderen sind im Urlaub in Griechenland. Ich wäre glaube ich auch gerne dabei. Nächstes Jahr werde ich mal wieder mit ihnen zusammen in den Urlaub fahren. Einmal im Jahr bin ich für 1-2 Wochen in meiner Sommerresidenz und isoliere mich. Ist das gut für mich? Ich glaube nicht. Aber ich mag dieses Haus und es manchmal ganz schön, nur mit sich alleine zu sein. Allerdings bin ich zu oft mit mir alleine. Das tut mir nicht gut. Ich sollte öfter unter Menschen gehen. Ich hätte gerne eine Freundin. Nähe und Intimität sind wichtig für die Psyche aber ich bin unfähig, eine Beziehung zu fremden Menschen aufzubauen. Wie soll ich eine Partnerin finden, wenn ich keine Frauen anspreche und kennenlerne. Ich muss etwas ändern. Aus diesem Trott ausbrechen. Aktiv werden, mit Menschen interagieren, Sport treiben. Ich muss auch mal wieder aus dieser Stadt für einen Tapetenwechsel. Ich werde wohl wieder nach Hamburg fahren. Etwas mit Lara unternehmen. Vielleicht läuft da etwas. Es herrscht eine verwirrende Chemie. Ist es gegenseitiges Interesse? Gibt es Interesse ihrerseits? Wir verstehen uns gut. Wir mögen uns. Ist da mehr oder interpretiere ich nur zu viel in ihre allgemeine Aufgeschlossenheit. Wir kommen uns jedes mal, wenn wir uns sehen zumindest näher als alle anderen. Ich sollte einfach Eier haben und es probieren. Was soll schon passieren? Im besten Fall: Sex, Intimität, mit einem Mädchen im Arm einschlafen. Das wäre toll. Im schlimmsten Fall: Ablehnung. Ich schätze Lara nicht so ein, dass sie mir das übel nehmen würde. Ich werde es probieren. Nur Mut.
Vielleicht sollte ich auch etwas an mir ändern um neuen Schwung in meinen monotonen Alltag zu bringen. Eine neue Frisur, neue Klamotten, ein Instrument lernen und weniger Zeit an meinem Rechner verbringen. Es gibt auch andere Freizeitbeschäftigungen. Ich werde noch genug Zeit in meinem Leben an einem Computer verbringen. Schließlich sieht es so aus, als wäre das meine berufliche Karriere. Ich habe größtenteils Spaß an dem, was ich tue, verschwende aber auch sehr viel Zeit mit unproduktiven Nichts-Tuen. Ich brauche Abwechslung. Deprimierender, monotoner Trott, gepaart mit Faulheit und zwischenmenschlicher Inkompetenz.
Mein Magen rumort. Habe ich Hunger oder stößt mir der Schnaps der letzten Nacht auf? Ich habe das Gefühl, frühestens heute Nachmittag schlafen zu können. Davor werde ich meine Zeit verschwenden, wie all die Tage der letzten Jahre auch. Ich bin zu kaputt heute.
Vielleicht sollte ich herausfinden, wann Sandra wieder in der Stadt ist, oder sie besuchen, wenn ich das nächste mal in Berlin bin. Zwangloser, unpersönlicher Sex, mit einer Person, mit der man nichts gemeinsam hat oder keine Gemeinsamkeit sucht? Das waren eigentlich immer sehr peinliche Abende. Wein, rum machen, Sex. Es wurden nur sehr wenige Worte gewechselt. Aber sie hatte Interesse und ich hatte Sex. Dennoch nicht wirklich erfüllend...
Vielleicht sollte ich es auch mit einer Datingapp versuchen. Irgendwo muss ich ja ein Weibchen für mich auftreiben können. Eine Bezugsperson, die für mich da ist, mich unterstützt und mir Halt gibt. Das würde mir glaube ich auch emotionale Stabilität geben.
Ich werde jetzt versuchen zu schlafen. Es ist mittlerweile 10 Uhr und ich werde glücklicherweise etwas müde.
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